Das Dreisäulen-Modell der Sportförderung nach Schwandke

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Aktuell ist die deutsche Leichtathletik, insbesondere nach der WM in Budapest, in den Schlagzeilen. Viele Dinge werden hinterfragt und aufgearbeitet. Ich habe mir bereits seit langer Zeit über das Sportfördersystem in Deutschland Gedanken gemacht, da ich als Leistungssportler seit vielen Jahren ein Teil des Systems bin und die verschiedenen Facetten kennengelernt habe. Ich bin der Überzeugung, wenn wir nicht schlagartig das Gesamtkonstrukt des Sportsystems überarbeiten, dann werden wir in den nächsten Jahren noch stärker von der Weltspitze abgehängt werden.

Für eine optimale Leistungssportförderung ist aus meiner Sicht, die Etablierung eines Dreisäulen-Modells, dass die drei wesentlichen Säulen, bestehend aus Sport/Ausbildung/Beruf, abdeckt, die den Athleten während seiner sportlichen Entwicklung begleiten und auch die Rahmenbedingungen abstecken. Je besser diese Säulen „gebaut“ und miteinander verknüpft sind, desto besser werden die Rahmenbedingungen – das „Dach“ des Athleten – ausgebildet sein. Dieses Dreisäulen-Modell habe ich selber entwickelt und durchdacht. Im Fortlaufenden möchte ich dieses näher erläutern. Natürlich kann man hier in Kürze nicht ins kleinste Detail gehen, aber dennoch das Modell in seinen Kernelementen darstellen. 

Das Modell erlangt vor allem ab dem Einschulungsalter Relevanz. Denn dann beginnen die zuvor noch unabhängigen Säulen sich langsam zu verknüpfen. Die Schule (Ausbildung – zweite Säule) muss zum Training (erste Säule) parallel verlaufen. Dabei erfährt der Athlet nicht nur den Leistungsdruck im Sport, sondern einen zusätzlichen Druck in der schulischen Ausbildung. Des Weiteren erhöht sich der Arbeitsaufwand im Alltag durch Lernen, Hausaufgaben und dem Unterricht. In dieser Phase muss der Athlet lernen, wie er eine Doppelbelastung koordinieren kann, um beide Bereiche erfolgreich bestreiten zu können. 

Jedoch bedarf es hier frühzeitig einer Zusammenarbeit zwischen dem Verein und der Schule, um den Athleten bzw. den Schüler entsprechend zu entlasten/unterstützen. Besonderes Augenmerk sollte auf den Nachmittagsunterricht, der mit den Trainingszeiten kollidieren könnte, als auch auf die Prüfungszeiten gelegt werden, wenn diese in die Wettkampfsaison fallen. 

Natürlich ist es nicht möglich komplette Prüfungszeiten auf einen einzelnen Schüler anzupassen, dennoch gibt es zahlreich anderer Möglichkeiten hier als Schule zu unterstützen. Beispielsweise das Nachschreiben von Prüfungen oder das Festlegen von festen Ausfragezeiten. Sprich, dass nicht am Montag nach einem Wettkampfwochenende unmittelbar im Anschluss Prüfungsleistungen erfolgen müssen. 

Zusätzlich zur Realisierung der Rahmenbedingungen innerhalb der Schule, sollte es auch eine Verknüpfung zwischen Schul- und Vereinssport geben, die besonders den Wert darauflegt, Nachwuchs zu generieren. Eine Möglichkeit wäre, den Sportunterricht zu teilen und mit einer Gruppe Schulsport und mit der anderen eine Sportart in Verbindung mit dem zuständigen Trainer einer Sportart des  jeweiligen Vereins auszuüben. Die Gruppen könnten nach der Hälfte der Zeit getauscht werden. So wäre die Durchführung des Unterrichts parallel mit einem „Schnupperkurs“ des Vereins möglich. 

Wir im TV Hindelang haben dieses Konzept bereits mit der ortsansässigen Schule erfolgreich umgesetzt. 

Ähnliche Kooperationen sollte es auch mit Universitäten geben, die die Studienzeit in Verknüpfung mit dem Leistungssport etwas erleichtern. 

Ein Studium als ein möglicher Ausbildungsweg neben der Lehre macht die Vereinbarung mit dem Sport natürlich deutlich leichter, im Vergleich zu einer Lehre direkt nach der schulischen Ausbildung, da an Hochschulen/Universitäten in der Regel ein flexiblerer Ablauf gegeben ist. Während des Studiums sind häufig die, wie bereits beschrieben, hohen Kosten ein Problem. Dabei kann und muss die Sporthilfe/Verbände deutlich mehr finanziell unterstützend wirken. Hinzukommen notwendige Kooperationen mit den Einrichtungen, um flexiblere Prüfungszeiten zu schaffen, die meiner Erfahrung nach eine große Hürde darstellen. So fanden meine Prüfungen immer in der Hauptsaison statt. Regelstudienzeiten erschweren das ganze zusätzlich. Regelstudienzeiten sollten für Spitzen-Athleten in Gänze abgeschafft werden.

Die mit Sicherheit herausforderndste Säule beinhaltet das Berufsleben (dritte Säule) und vor allem den Übergang von der Ausbildung in den Beruf, da die Athleten diverse Wege einschlagen können. Ich kann vorweg nehmen, dass ich kein großer Befürworter von Polizei-, Zoll, oder Bundeswehrförderung bin. In den meisten Sportarten kann man kein Geld verdienen, geschweige sich den Lebensunterhalt finanzieren, noch sich ein finanzielles Fundament aufbauen. Leistungssport betreibt man eventuell bis Mitte dreißig. Arbeiten muss man jedoch bis zur Rente. Wer hier nicht rechtzeitig ins Sozialsystem einzahlt, zum Beispiel erst nach der sportlichen Karriere, wird im Alter mit großer Wahrscheinlichkeit ein Sozialfall sein. 

Diejenigen, die bereits mit sechzehn eine Ausbildung gemacht haben, zahlen bis zum Karriereende eines Athleten zwanzig Jahre länger ein. 

Natürlich wird auch bei Polizei, Zoll oder Bundeswehr ein Gehalt bezahlt. Heute gibt es  zudem Möglichkeiten parallel ein Studium zu absolvieren. Wer unbedingt schon immer eine Laufbahn in diesen drei Bereichen absolvieren wollte, ist dort grundsätzlich optimal aufgehoben. Aber ich sehe es kritisch, wenn wir Athleten, die nach dem Sport noch ein anderes Leben führen müssen/dürfen, schon frühzeitig ihrer freien beruflichen Entscheidung berauben und sie in eine Nische zwingen. Die Athleten sind im jungen Alter durch die Emotionen und Druck des Sports nicht unbedingt zu rationalen Entscheidungen fähig und betrachten nicht unbedingt die Zeit nach dem Sport. 

Hinzukommt, dass nicht jeder Sportler auch in die Förderung aufgenommen wird. Ich selber habe mich nach dem Abitur für eine Stelle bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr beworben und wurde abgelehnt. Auch eine Sporthilfeförderung habe ich nicht erhalten. Das, obwohl ich in der Jugend fünfmal Deutscher Meister wurde und mich für alle internationalen Meisterschaften, wie EM und WM qualifiziert habe. Außerdem wurde ich damals von den DLV-Disziplin-Trainern stets als großes Nachwuchstalent gehandelt. 

Deshalb habe ich mich für ein Maschinenbaustudium in der halbstündig entfernten Hochschule entschieden. Mein großer Vorteil war, dass ich noch daheim gewohnt habe, dort mich um nichts kümmern musste, zwei Minuten Fahrweg zum Training hatte und durch meine Eltern auch finanziell völlig unabhängig war. 

Auf diesen Luxus kann jedoch nicht jeder zurückgreifen. In heutigen Zeiten, stark steigender Mieten und Lebenshaltungskosten, ist für viele das Studium nur durch eine zusätzliche Ausübung von Mini-Jobs möglich. Aber wir wissen, Studium, Arbeit, Selbstverpflegung und Training sind nur schwer vereinbar, wenn man mit den Besten der Besten mithalten möchte. 

Es gibt nämlich immer diejenigen, die „nur“ Sport machen und die restliche Zeit regenerieren können. 

Wie hat Jan Frodeno in einem Interview auf die Frage geantwortet, „Was ihn von anderen Athleten unterscheidet“. Er geht zum Training und wenn er nach Hause kommt, kann er sich aufs Sofa legen und die Füße hochlegen.

Gerade in dieser Problematik muss die Sportförderung viel intensiver greifen. 

Ein beruflicher Weg kann das Arbeiten nach der Lehre in einem Ausbildungsbetriebs sein. Dabei könnte es ein Förderprogramm zwischen den Betrieben und dem DOSB geben, das beispielsweise Arbeitszeiten flexibler gestaltet. Dabei sollen zum einen Ausfälle durch Wettkämpfe oder Trainingslager, die nicht durch Urlaubszeiten kompensiert werden können, durch den DOSB subventioniert werden. Warum ist diese Maßnahme so wichtig? Die Antwort ist ganz einfach und beinhaltet eine Gegenfrage: „Welcher Betrieb, im Speziellen Handwerksbetriebe, können/wollen sich einen Leistungssportler leisten und sind bereit diesen zu fördern, bei den aktuellen Auftragseingängen?“ Wenn es diese Verknüpfung nicht gibt, bleiben viele Athleten mit einer Lehre auf der Strecke. Hier verlieren wir bereits eine große Anzahl an Talenten. 

Der zweite berufliche Weg ist die Zeit und die damit verbundene Integration des Absolventen, beispielsweise eines Studiums, in das Berufsleben. Da nach dem Studium der Leistungsport häufig noch ausgeübt wird, bedarf es einer ähnlichen Integrations- und Fördermethode, wie bei der Lehre. Auch hier kann die Arbeit und das Training nur durch eine optimale Tagesplanung erfolgen. Kooperation mit Unternehmen sind dabei essenziell. 

Aus meiner Sicht ist dies mit wenig Aufwand erreichbar. Der Athlet erhält vom Unternehmen eine Arbeitsstelle, die ihm die notwendige Flexibilität verspricht und er dies mit seiner Arbeitskraft dem Unternehmen zurückzahlt. Der Athlet wiederum erlangt den Einstieg ins Berufsleben und wird finanziell unabhängig. 

Athleten die ein Gehalt von einem Unternehmen beziehen werden nicht mehr separat von der Sporthilfe gefördert. Lediglich erhält das Unternehmen für mögliche Dienstausfälle durch Wettkämpfe und Trainingslager, die nicht durch Urlaub abgedeckt werden können, eine finanzielle Förderung durch die Sporthilfe/DOSB. 

Das Unternehmen hat damit keinen Nachteil und kann sich zusätzlich mit der Förderung von Leistungssportlern profilieren. 

Da Geld in allen Umsetzungen eine große Rolle spielt, sieht mein Modell lediglich eine Umstrukturierung der Förderung vor, die zudem eine Umverteilung von Geldern vorsieht. Wichtig ist dabei, dass Athleten, die bereits ein Gehalt bspw. von Bundeswehr oder einem Unternehmen beziehen, keine zusätzliche Sporthilfe mehr erhält, sondern die Förderung lediglich zur Unterstützung der jeweiligen Einrichtung verwendet wird, um für ihn die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. 

Auch die Politik muss viel mehr in die Verantwortung gezogen werden. Der Sport liegt beim Innenministerium und muss auch daraus organisiert werden. Denn Änderungen in Universitäten oder Subventionen von Unternehmen, die Sportler fördern, können aus meiner Sicht nur von der Politik gesteuert werden.

Es ist zudem zu überlegen, das Sporthilfesystem, wie wir es bis dato kennen, in Gänze abzuschaffen und durch einen staatlich geförderten Sportförder-Fonds zu ersetzen. Hieraus werden beispielsweise Subventionen an Betriebe ausgeschüttet. Dabei könnte ich mir vorstellen, dass Sportler in den Betrieben 100 Prozent bezahlt werden, jedoch nur 50 Prozent arbeiten müssen. Die Differenz wird aus dem Fonds bezahlt.

Ich schlage eine „Unternehmenskooperation des Sports“ vor. Hierbei gibt es Quotenstellen für Leistungssportler, für die z.B. die 50/100-Regel gilt. Sprich, 50 Prozent arbeiten, 100 Prozent bezahlt werden.

Wie gesagt ist das Dreisäulen-Modell der Sportförderung ein möglicher Vorschlag, wie die zukünftige Sportförderstruktur gestaltet werden kann. Das sich etwas ändern muss, ist allen Beteiligten mittlerweile klar.

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